Christoph Bommer, Daniel Brönimann
Seit Jahrzehnten versucht man das Managen von Projekten zu standardisieren, um so den Projekterfolg vorhersehbar zu machen. Sind die heute zur Verfügung stehenden Methoden und Techniken dafür hilfreich?
Projekte haben für Firmen eine grosse Bedeutung – egal ob für interne Projekte oder externe Kundenaufträge. Schliesslich geht es um Geschäftserfolg, Wettbewerbsfähigkeit und Kundenvertrauen. Entsprechend dieser Wichtigkeit kommt dem Projektleiter eine zentrale Rolle zu.
Damit er für diese Aufgabe gut gerüstet ist gibt es seit geraumer Zeit geeignete Ausbildungen und Zertifikate. Die prominentesten Vertreter sind IPMA und PMI. Die Abschlüsse beider Programme haben in den letzten Jahren, mit dem wachsenden Bewusstsein der Wichtigkeit von Projekten, deutlich zugenommen. Zusätzlich wird der Projektleiter durch eines von zahlreichen Vorgehensmodellen, je nach Branche und Zeitgeist, unterstützt. So finden in öffentlichen Ausschreibungen häufig HERMES oder PRINCE2 Anwendung. In anderen Bereichen sind agile Methoden wie Scrum, oder in der skalierten Variante SAFe, sehr angesagt. Ziel dieser Bemühungen ist es, die Vorhaben erfolgreich ins Ziel zu führen.
Allerdings zeigen prominente Beispiele wie der Flughafen Berlin, die Hamburger Elbphilharmonie oder der Bahnhof Stuttgart 21, dass dies nach wie vor nicht immer so ist. Natürlich müssen es nicht immer solch grosse Projekte sein, aus dem eigenen Umfeld finden sich aber bestimmt eigene Beispiele.
Wie kann das sein?! Nach all den Bemühungen in der Projektleiterausbildung und den unterstützenden Frameworks!
Dazu sei ein Blick auf die Definition des Projektes gemäss IPMA geworfen: «Ein zeit- und kostenbeschränktes Vorhaben zur Realisierung einer Menge definierter Ergebnisse entsprechend vereinbarter Qualitätsstandards und Anforderungen.» Ein Projekt ist also zeitlich limitiert und grenzt sich von der Linienorganisation ab, indem es einmalig und etwas Besonderes ist, dementsprechend weniger voraussehbar und deshalb ein höheres Risikopotenzial hat.
Ist ein Standardvorgehen für eine erfolgreiche Projektabwicklung geeignet?
Schauen wir zudem auf die vielfältigen Aufgaben eines Projektleiters, erkennen wir, dass er ein wahres Multitalent sein muss. Er soll planen, organisieren, motivieren, verhandeln und vieles mehr. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, zeigt sich auch an der IPMA Zertifizierung, denn gemäss dieser muss er sich aktuell in 133 Kompetenzindikatoren, gruppiert in 28 Kompetenzen, beweisen!
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Projektleiter wirklich die Essenz seines Projektes noch erkennt, oder ob er aufgrund der (zu) vielen Anforderungen häufig dazu neigt, die Prozessschritte und Checklisten unreflektiert abzuarbeiten? Diese geben dem Projektleiter zwar ein gutes Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, doch hat er damit die wesentlichen Aspekte von seinem Projekt erkannt?
Standardisierte Vorgehensmodelle und umfangreiche Anforderungen an den Projektleiter sind zwar hilfreich, vielleicht sogar notwendig, aber nicht ausreichend, weil Einmaligkeit und Standards sich gegenseitig ausschliessen.
In solchen Situationen hilft es einen Schritt zurück zumachen. Grundsätzlich sind Projektmanagement-Kompetenzen wie Planung, Risikomanagement etc. bekannt und es gibt je nach Vorgehensmodell sehr viele Methoden und Techniken dazu. Diese sind aber teilweise so überfrachtet, dass der Kern nur noch schwer erkennbar ist. Darum gilt es, die einzelnen Kompetenzen anzuschauen und zu überlegen, was ist eigentlich die Essenz dieser Tätigkeit? Welche Parameter sind für das aktuelle Projekt entscheidend und wie erziele ich tatsächlich Wirkung darin? Die Erkenntnis daraus ist, dass man dem individuellen Charakter des Projektes mehr Rechnung tragen und sich auf die dafür relevanten Themen fokussieren muss!
Es sei am Beispiel der Planung veranschaulicht.
In der Projektmanagement-Literatur werden verschiedene Projektpläne beschrieben, die für den Erfolg eines Projektes hilfreich sind. Beispiele solcher Projektpläne sind: Projektstrukturplan, Meilensteinplan, Terminplan oder Gantt-Chart. Welche dieser Pläne soll man nun erstellen und wie oft soll man sie aktualisieren? Ergibt eine Planung überhaupt Sinn, wenn man davon ausgeht, dass sich die Anforderungen im Laufe des Projektes ändern können?
Schaut man bei der Planung auf den Kern der Sache, geht es in erster Linie nicht darum, einen Plan zu haben, der nach der Erstellung akribisch abgearbeitet werden kann, sondern vielmehr um den Lerneffekt, der aus der Tätigkeit des Planens hervorgeht! Planen hilft, das Projekt in allen Dimensionen besser zu erfassen und zu verstehen. Hat man die Planung für sein Projekt auf diese Weise durchgeführt, erkennt man auch die kritischen Elemente, die nur für das eigene, einzigartige Projekt Gültigkeit haben. Die Projektabwicklung selbst erfolgt dann häufig auf Basis von Intuition, basierend auf dem Wissen aus der Planung. Natürlich hat auch der Plan an sich seinen Nutzen, zum Beispiel zum Erkennen von Auswirkungen bei Projektstörungen, als Basis für die Projektkommunikation oder zur Plausibilisierung des Projekterfolgs. Ein Plan hilft also, zeitgerecht die richtigen Entscheidungen zu treffen und deren Auswirkungen zu erkennen. Der grösste Mehrwert einer Planung ist aber der, mit seiner Erstellung verbundene Denkprozess oder wie der frühere US-Präsident Dwight Eisenhower gesagt hat: «Der Plan ist nichts, die Planung ist alles!»
Fazit
Mit den Projektleiterausbildungen und den vielfältigen Vorgehensmodellen hat man in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht – inzwischen fast zu viel. Die umfangreichen Aufgaben eines Projektleiters, sowie die zum Teil überfrachtenden Vorgehensmodelle überfordern zunehmend die Projektleiter, anstatt sie zu unterstützen. Es besteht die Gefahr des reinen Abarbeitens von Checklisten, was paradoxerweise den Projekterfolg gefährden kann. Wichtig wäre daher ab und an einen Schritt zurück zu machen, sich auf den einzigartigen Charakter seines Projektes einzulassen und sich auf die Essenz der jeweiligen Projektmanagement-Kompetenz zu besinnen – ganz nach dem Motto: «Weniger ist mehr.»